Ganzheitliches Qualitätsmanagement durch
Campus-Management-Systeme

Anna Beise/Stefan Bieletzke

 

Inhaltsverzeichnis

1      Einleitung........................................................................................................... 2

2      Qualitätsmanagement an Hochschulen................................................................. 3

3      Konzept der Ganzheitlichkeit und wertkettenbasierter Prozesse.............................. 5

4      Fallbeispiele: QM mit CM-Systemen...................................................................... 8

4.1       Qualitätsziel „Guter Übergang in die Hochschule“.......................................... 9

4.2       Qualitätsziel „Gute Lehre“......................................................................... 11

4.3       Qualitätsziel „Guter Übergang in den Beruf“............................................... 12

5      CM-QM-Ziel-Würfel.......................................................................................... 13

6      Fazit................................................................................................................ 14

Literatur................................................................................................................... 15

 

Zusammenfassung:

Die Autoren untersuchen, in welcher Weise Campus-Management-Systeme (CM-Systeme) einen Beitrag zur Ausgestaltung ganzheitlicher Qualitäts-Managemt-Systeme (QM-Systeme) an Hochschulen leisten können. Hierzu werden die Besonderheiten von QM und QM-Systemen erläutert und es wird das Konzept der Ganzheitlichkeit wertkettenbasierter Prozesse eingeführt. Daran anknüpfend wird anhand von Best-Practice-Fallbeispielen aufgezeigt, in welcher Weise QM durch CM unterstützt werden kann. Resümierend wird ein morphologischer CM-QM-Ziel-Würfel entwickelt und die Bedeutsamkeit von CM für QM als notwendig herausgestellt.
(Bonn, Juni 2010)

 

Autoren:

Anna Sophie Beise ist Organisationsberaterin und Projektleiterin bei der HIS Hochschul-Informations-System GmbH, Hannover. Prof. Dr. Stefan Bieletzke ist Geschäftsführer der Trainings-Online Gesell­schaft für E-Portale mbH sowie Prodekan Medien der privaten Fachhochschule des Mittelstands, Bielefeld/Berlin.


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1    Einleitung

 

Im Zuge neuerer Hochschulreformen vollzieht sich im Bereich der staatlichen Hochschulen ein Paradigmenwechsel der Governance-Mechanismen. Im Gegensatz zu privaten Hochschulen wurden staatliche Hochschulen bislang in Form einer Kombination aus staatlicher Regulierung und akademischer Selbstverwaltung gesteuert. Seit Mitte der 1990er Jahre werden unter dem Label des Neuen Steuerungsmodells oder des New Public Management verstärkt Marktmechanismen in das Wissenschafts- und Hoch­schul­system eingeführt. Eine erhöhte Autonomie, zunehmende Steuerungskompetenzen von Hochschulleitungen, steigende Verpflichtungen zur transparenten Rechenschaftslegung gegenüber Staat und Gesellschaft, eine vermehrt leistungsbezogene Hochschulfinanzierung und der wachsende Wettbewerb um Studierende, Lehrende oder Drittmittel kennzeichnen diesen Wandel (vgl. z. B. Krücken 2006, Schimank 2005).

Einhergehend mit der Re-Positionierung von Hochschulen unter Wettbewerbsbedingungen kann als aktueller Trend im Hochschulbereich eine vermehrte Implementierung und Nutzung von integrierten Qualitätsmanagement-Systemen (QM-Systeme) und ganzheitlichen, webbasierten Campus-Management-Systemen (CM-Systeme) beobachtet werden.

Gemeinsam ist QM- und CM-Systemen, dass sie die Hochschulleitung und weitere relevante Akteure bei der strategischen Steuerung unterstützen sollen. Da sich beide Systeme – wenn auch in unterschiedlicher Weise – mit der Analyse, Definition, Abbildung, aber auch Weiterentwicklung von Prozessen befassen, leitet ihre Entwicklung, Implementierung und Nutzung in den entsprechenden Organisationen häufig Standardisierungsprozesse ein bzw. verstärkt diese (vgl. Brunsson/Bengt 2000).

Entsprechende Entwicklungen orientieren sich dabei an den Standards bzw. De-facto-Standards und Vorgaben, die von staatlichen oder im staatlichen Auftrag handelnden Akteuren (wie z. B. der Kultusministerkonferenz, dem Akkreditierungsrat, Akkreditierungsagenturen oder der European Association for Quality Assurance in Higher Education) oder auch Anbietern von Standardsoftware für Hochschulen gesetzt bzw. geprägt werden.

Vor dem Hintergrund dieser Gemeinsamkeiten fragt der vorliegende Artikel danach, in welcher Weise CM-Systeme einen Beitrag zur Ausgestaltung ganzheitlicher QM-Systeme an Hochschulen leisten können. Diskutiert werden folgende Fragen: Was sind die Spezifika von QM-Systemen im Bildungs- und insbesondere im Hochschulbereich? Welche Aspekte von Ganzheitlichkeit sind bedeutsam für QM-und CM-Systeme? Sind CM-Systeme hinreichend oder notwendig im Hinblick auf ganzheitliches QM?

2    Qualitätsmanagement an Hochschulen

 

Der Begriff „Qualität“ entstammt dem Lateinischen (qualis), meint „wie beschaffen“ und beschreibt die „Güte“ oder den „Wert“ eines Gegenstands (vgl. Bruhn 2008: 33). Das Deutsche Institut für Normung (DIN) definiert Qualität in der Deutschen Industrienorm (DIN) EN ISO 9000 als einen „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Forderungen erfüllt“ (Deutsche Gesellschaft für Qualität 2010).

Der Begriff Qualität selbst ist dabei zunächst wertfrei und gibt noch keine Auskunft über die Ausprägung der Beschaffenheit eines Gegenstands. Diese kann erst in Abhängigkeit von den konkreten Anforderungen oder Kriterien an die Qualität festgestellt werden. Anders formuliert: Qualität beschreibt das Ergebnis eines Vergleichs zwischen formulierten Zielen (Soll-Zustand) und der Zielerreichung (Ist-Zustand).

Als Qualitätsmanagement bezeichnet man „alle systematischen Maßnahmen, die der Verbesserung von Produkten, Prozessen und Leistungen dienen“ (vgl. Heinrichs 2010: 191). QM dient demnach dazu, den Prozess zum Erreichen eines angestrebten Soll-Zustands ausgehend von einem Ist-Zustand zu gestalten.

Im Hochschulsystem stellt Qualität, ihre Sicherung und Entwicklung und in der Folge die Entwicklung und Implementierung integrierter und wirksamer QM-Systeme heute – insbesondere aufgrund veränderter Governance-Mechanismen – ein zentrales hochschulpolitisches Thema dar.

Die Bedeutung der Qualitätsdiskussion dokumentieren Aktivitäten wie z. B. Projekte der Hochschulrektorenkonferenz, des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft und der Heinz Nixdorf Stiftung, aber auch Publikationen zum Thema (vgl. z. B. Nickel 2007, Kaufmann 2009).

2008 wurde die Möglichkeit geschaffen, die Begutachtung einzelner Studienprogramme (Programmakkreditierung) durch die Begutachtung des QM-Systems einer Hochschule (Systemakkreditierung) abzulösen. Diese Entwicklung, aber auch die Forderung nach institutitonellen Audits durch die HRK-Mitgliedhochschulen im November 2010 haben der Etablierung integrierter QM-Systeme an Hochschulen einen zusätzlichen Bedeutungszuwachs verschafft.

Die Vorgehensweisen zum Aufbau eines QM-Systems sind vielfältig und reichen von der Anwendung klassischer institutioneller Evaluationsverfahren bis zur Adaption von QM-Modellen wie der Norm DIN ISO 9000ff. oder dem Total Quality Management (TQM) auf Hochschulen, die ursprünglich aus dem Bereich der Privatwirtschaft stammen.

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung eines entsprechenden Systems ist eine zentrale Anforderung an ganzheitliche QM-Systeme die Verzahnung von Zielen, Prozessen und Ergebnissen zu einem Regelkreis. Damit werden eine strategische Steuerung, Ergebniskontrolle und die Formulierung und Umsetzung von Follow-up-Maßnahmen ermöglicht, die bislang eher als Schwachstellen der bestehenden Systeme beschrieben wurden (vgl. Nickel 2007). Auf diese Weise sollen die Systeme insbesondere in der Lage sein, der Leitungsebene Entscheidungshilfen für die strategische Hochschulsteuerung und -entwicklung an die Hand zu geben.

Anhand der Ebenen Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität, die in Ansätzen zum QM unterschieden werden (vgl. Heinrichs 2010: 191 f.), wird im Folgenden der Versuch unternommen, zu zeigen, in welcher Weise CM-Systeme einen Beitrag zum QM an Hochschulen leisten können.

Der Begriff der Strukturqualität beschreibt die Beschaffenheit von Rahmenbedingungen wie z. B. die Finanzierung einer Hochschule, ihre sächliche, räumliche und personelle Ressourcenausstattung sowie rechtliche Rahmenbedingungen. In diesem Sinne stellt ein CM-System zunächst einmal eine Ressource im IT-Bereich dar, die zur Strukturqualität einer Hochschule beiträgt.

Die Ergebnisqualität bezieht sich auf die qualitativen Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung, also im Fall von Hochschulen z. B. darauf, ob die Wissens- und Kompetenzvermittlung Studierende wissenschaftlich qualifiziert bzw. als Fach- oder Führungskraft auf den Berufseinstieg vorbereitet. Im Hinblick auf die Ergebnisqualität leisten webbasierte CM-Systeme insbesondere einen Beitrag zu ihrer Messung, indem die zentrale Datenhaltung zu konsistenten Informationen und zu der Möglichkeit führt, in übergreifenden, rechte-basierten Abfragen von Datenbeständen z. B. der Hochschulleitung oder QM-Verantwortlichen relevante Informationen zu liefern  und so ein „Campus Intelligence System“ zu realisieren.

Die Prozessqualität fragt danach, ob die entsprechenden Prozesse und Abläufe dafür geeignet sind, die von der Hochschule angestrebten Qualitätsziele z. B. in der Lehre zu erreichen. Sie stellt die Verbindung zwischen Struktur- und Ergebnisqualität dar.

Da ein CM-System vielfältige Hochschulprozesse unterstützt oder sogar abbildet und strukturiert und daher mehr oder weniger direkt beeinflusst, kann es – wenn seine Einführung adäquat aufgesetzt wird und nicht nur technische, sondern auch organisationale und kulturelle Fragestellungen berücksichtigt – einen wesentlichen Beitrag zur Prozessqualität einer Hochschule leisten. Um Einsatzmöglichenkeiten von CM-Systemen theoretisch aufzuzeigen, wird im folgenden Abschnitt das Konzept der Ganzheitlichkeit und wertkettenbasierter Prozesse eingeführt.

 

3    Konzept der Ganzheitlichkeit und wertkettenbasierter Prozesse

 

Die Analyse der spezifischen Geschäftsprozesse und Wertketten von Hochschulen kann bei der Identifikation der Einsatzmöglichkeiten von QM- sowie CM-Systemen hilfreich sein.

Zu den Geschäftsprozessen von Hochschulen als „wissensproduzierende[n] Organisationen“ (Pellert 1999: 17) gehören unterstützende Aktivitäten oder Prozesse, unter die erstens die Support-Prozesse (z. B. das IT- oder Personalmanagement) und zweitens die Management-Prozesse (z. B. strategische Hochschulsteuerung) gefasst werden können. Diese sind erfolgskritisch, werden jedoch von Studierenden – wenn überhaupt – nur indirekt wahrgenommen.

Betrachtet man QM-Systeme als Instrumente der strategischen Steuerung, kann man sie als Unterstützungs-System der Leitungs-Prozesse beschreiben. Idealtypisch wirkt das QM-System entlang der gesamten Wertkette und ermittelt Erkenntnisse zur Ergebnis- oder Prozessqualität auch aufgrund der Beobachtung oder Befragung der in die Leistungserstellung involvierten Akteure, also der Lehrenden und Studierenden.

Die Kernprozesse einer Hochschule, die man auch als Primär-Aktivitäten einer Wertkette (vgl. Porter 1989) charakterisieren kann, beziehen sich im Gegensatz zu den Unterstützungsprozessen direkt auf die grundlegenden Zielsetzungen und Aufgaben der Hochschule, also auf die Wissensvermittlung in Studium und Lehre und die Wissensproduktion im Bereich der Forschung. Diese Kernprozesse sind aufgrund hochschulischer Freiheitsgrade oft nur in geringem Maße formalisierbar. So kann beispielsweise die Wissensvermittlung, die in Interaktionssituationen stattfindet, in ihrer Eigendynamik nicht durchgängig durch organisatorische Instrumente wie z. B. QM-Systeme gesteuert werden. Gleichwohl können diese Systeme z. B. kommunikative Möglichkeiten eröffnen oder auch gezielt begrenzen und somit Anreiz-Beitrags-Konstellationen (Barnard 1938) verändern. Die gezielte Schaffung nichtmonetärer Anreize bei gleichzeitiger Senkung von Mühebeiträgen kann Akteure dann zur CM-System-Nutzung und zu einem Verhalten anregen, das den Zielsetzungen der Hochschule entspricht. Insbesondere im Bereich der ganzheitlichen CM-Systeme sind Verhaltensänderungen und -vereinheitlichungen bei Studierenden und Lehrenden bereits empirisch belegt (vgl. Bieletzke 2005: 4 ff.).

Da der Studierende in viele der Primär-Aktivitäten, z. B. in die Lehre oder in Prüfungen, persönlich und interaktiv integriert ist, soll hier von Dienstleistungs-Prozessen ausgegangen werden.

 

Abb. 1: Wertkette einer Hochschule
Quelle: Eigene Darstellung

 

Aus Sicht des Dienstleistungsmarketings sind dabei sieben klassische Entscheidungen innerhalb der Wertkette zu verorten und zu berücksichtigen: Mit welchen Merkmalen wie z.B. theoretischen und praktischen Lehrinhalten, Wahlmöglichkeiten oder ECTS-Punkten ist das Studium als „Produkt“ ausgestattet (product)? In welcher Höhe werden Studiengebühren erhoben (price)? Ist die räumliche Verfügbarkeit der Lehre begrenzt oder durch E-Learning raumunabhängig und somit z. B. auch für Berufstätige attraktiv (place)? Über welche fachliche und didaktische Lehrbefähigung verfügt das Lehrpersonal der Hochschule (personal)? Wie gestaltet sich die physische Ausstattung des realen bzw. des virtuellen Campus (physical facilities)? Sind die Geschäftsprozesse der Hochschule bekannt und verzahnt-optimiert oder herrschen ineffiziente Insellösungen vor (process)? Wie und über welche Kanäle soll letztlich das Studienangebot kommuniziert werden und wie stark ist dabei z. B. der Web 2.0-Effekt innerhalb der Generation Connected (promotion)?

 

Das CM-System wirkt dabei insbesondere

§        im Bereich „place“, da es die räumliche und auch zeitliche Verfügbarkeit der Lehre durch E-Learning erweitert,

§        im Bereich „personal“, da es z. B. die Lehrkompetenzen von hauptamtlichen und freiberuflichen Lehrenden transparent macht und somit Lehrbedarfe mit entsprechenden Kompetenzen abgeglichen werden können,

§        im Bereich „process“, da CM-Systeme bewährte, modellhafte Referenzprozesse, technisch integriert haben, durch die die Wertketten-Prozesse und deren Akteure funktionell miteinander verbunden werden und

§        im Bereich „physical facilities“, da das CM-System von den Studierenden als kommunikativer e-Campus und virtuelles Äquivalent zum realen Campus wahrgenommen wird.

Gleichwohl ist das CM-System in der Wertkette nicht einzeln identifizierbar, zumindest dann nicht, wenn das CM-System ganzheitlich konzipiert ist. Die Ganzheitlichkeit eines CM-Systems ist anzustreben und bedeutet, dass die zeitliche, organisa­torische und funktionale Dimension der Organisation abgebildet wird.

Zeitlich ganzheitlich meint, dass sich z.B. der Life Cycle des Studierenden vom Anfang bis zum Ende der horizontalen Wertkette abbilden lässt. So sollten sich die verschiedenen Phasen des studentischen Life Cycle – vom Studieninteressenten über den Bewerber und den Studierenden bis zum Alumni und darüber hinaus zum Interessenten für weiterbildende Studien weitgehend in einem einzigen System darstellen lassen. Beispiel: Das Geburtsdatum wird bereits im Interessenten-Status erhoben, dann einmalig verifiziert und innerhalb der elektronischen Studierenden-Akte bis zum Abschlusszeugnis durchgängig DV-technisch zur Verfügung gestellt.

Um die organisatorische Ganzheitlichkeit zu gewährleisten, sollten vertikal alle Ak­teure der Wertkette in das System integriert werden: Also nicht nur Stu­dierende und Alumni, sondern auch Hochschulleitung, Verwaltungspersonal und Lehrende. Alle Akteure bewegen sich dann – informationstechnisch gesprochen – trotz unterschiedlicher Präsentations- und Anwendungsschichten innerhalb des ganzheitlichen CM-Systems auf einer konsistenten, redundanzfreien Datenhaltungsschicht. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die zentrale Datenhaltung, wie sie ein webbasiertes CM-System ermöglicht. So kann z. B. der jeweilige Wohnort auch vom Studierenden webbasiert im Rahmen einer Selbstbedienungsfunktion aktualisiert, von QM-Beauftragten im Rahmen geltender Datenschutzrichtlinien für Statistiken verwendet oder von der Verwaltung für die automatisch erstellte Notenbescheinigung genutzt werden.

Funktionale Ganzheitlichkeit bedeutet, dass die Anzahl der Insellösungen oder der Schnittstellen minimiert wird, indem möglichst viele Prozesse und Teilfunktionen vom CM-System abgebildet bzw. erfüllt werden. Neben den ohnehin verfügbaren Basisfunktionen wie Studienverlauf oder Notenbekanntgabe kann also die funktionelle Erweiterung wie z. B. die Integration des E-Learnings, eines Systems für Online-Evaluationen oder der Bibliotheksverwaltung, zu deutlichen Synergieeffekten führen.

 

4    Fallbeispiele: QM mit CM-Systemen

 

Im Folgenden soll exemplarisch anhand des CM-Systems TraiNex und einer mittelgroßen privaten Fachhochschule aufgezeigt werden, in welcher Weise CM-Module einen Beitrag zum QM an Hochschulen leisten können. Dabei soll auch berücksichtigt werden, welche Faktoren bei der technischen, organisationalen und kulturellen Realisierung entsprechender Module zu beachten sind. Hierzu werden die folgenden drei Qualitätsziele näher betrachtet:

1.      „Guter Übergang in die Hochschule“

2.      „Gute Lehre“

3.      „Guter Übergang in den Beruf“

Diese strategischen Qualitätsziele müssen in operativ-konkrete Unterziele  übersetzt werden, um sie für die Beteiligten handhabbar zu machen und den Grad der Zielerreichung innerhalb eines definierten Zeitraums messen zu können und so die Ergebnisqualität festzustellen.

 

4.1    Qualitätsziel „Guter Übergang in die Hochschule“

Das Qualitätsziel „Guter Übergang in die Hochschule“ bezieht sich auf den Beginn der Wertkette und den Beginn des Life Cycle des Studierenden. Um einen guten Übergang in die Hochschule zu gewährleisten, soll eine hochwertige Betreuung der Studieninteressenten, Bewerber und Studienanfänger sichergestellt werden. Indikatoren für die Qualität der Betreuung können z. B. die Erreichbarkeit von Ansprechpartnern oder die Dauer der Bearbeitung von Anfragen sein. Die Wahrnehmung des Gütegrads der Betreuung wird an der betreffenden Hochschule nach Studienbeginn im Rahmen einer Befragung der Studienanfänger erhoben.

Eines der operativen Ziele  im betrachteten Beispielszenario ist, dass Studienanfänger sich bereits während des Studienbeginns gut integriert fühlen und z. B. Informationen zu Wohnungsangeboten von aktuellen Studierenden und insbesondere angehenden Absolventen abrufen können. Eine entsprechende Integration wird an der Hochschule, die hier als Beispiel dient, erreicht, indem Studienanfänger frühzeitig für den Community-Bereich des CM-Systems freigeschaltet werden und so mit anderen Studienanfängern oder auch Studierenden in Kontakt treten und sich austauschen oder z. B. Wohnungsangebote abrufen können.

Ein zweites operatives Ziel  ist es, eine hochwertige Betreuung der Studienanfänger durch verschiedenste Ansprechpartner zu ermöglichen. Webbasierte Interessenten- bzw. Bewerberakten, die jedem berechtigten Sachbearbeiter ad hoc den Stand der Bewerbung oder Bewerbungsprobleme zeigen, waren hier die Lösung. Auch die verifizierte Bearbeitung der Akten sowie das Dokumentenmanagement lässt das webbasierte System zu.

Ein schwerer zu erreichendes, wenn auch nur kostenbedeutsames Nebenziel, ist es, dass die Erhebung und Verifikation statistischer Daten, die u. a. für statistische Landesämter vollzogen werden muss, möglichst unaufwändig realisiert wird. Dies bedeutet, dass ineffiziente und teils ineffektive Mehrfachbefragungen von Studienanfängern vermieden werden sollten, auch, da diese als vermeidbare Mühe von Studierenden empfunden werden.

Hierfür wird die webbasierte Interessentenakte beim Übergang vom Interessenten- zum Bewerberstatus weiter verwendet und von anderen Sachbearbeitern mit weiteren Details gefüllt. Daten wie die Art der Hochschulzugangsberechtigung werden dabei im Hintergrund automatisch mit den Signaturen der statistischen Landesämtern verarbeitet. Statistiken zeigen der Hochschulleitung jederzeit die Bewerberlage und geben so Hinweise auf die Ausschöpfung von Kapazitäten sowie Kosten- und Erlöstreiber. Nach der Immatrikulation wird der Studienanfänger im CM-System zur Verifikation der Daten aufgefordert. Hierbei werden ihm die bislang erfassten und somit bekannten Daten auf seiner CM-Startseite präsentiert. Der Studierende kann die Daten bestätigen oder – wiederum transparent unter Nutzung der statistischen Signaturen im Hintergrund – Änderungen der Daten beantragen.

Der Sachbearbeiter mit der Funktion „Statistik“ wird nach Beendigung der Verifikation durch den Studierenden durch eine farbliche Markierung im System auf Änderungswünsche hingewiesen und kann diese nach Prüfung per Mausklick übernehmen. Der Nutzen des CM-Moduls für das Qualitätsziel ist offensichtlich: durch die webbasierte Lösung kann nicht nur die Eingabe auf Sachbearbeiter und sogar auch Studierende verteilt werden sondern die Qualität der Daten steigt und der Abruf der Daten konnte für das Management und QM-Statistik-Beauftragte ermöglicht werden. Die erforderliche Statistik fällt quasi als Nebenprodukt aus dem System ab und kann per Mausklick z. B. als Excel-Dokument abgerufen werden.

Für die Realisierung eines entsprechenden Moduls muss technisch der Übergang von lokal gespeicherten Tabellen- oder Datenbank-Anwendungen zu einem integrierten Modul des webbasierten CM-Systems gewährleistet werden. Organisational muss sichergestellt werden, dass eine arbeitsteilige Bearbeitung durch verschiedene Sachbearbeiter erfolgt, die technisch durch eine entsprechende Rollen- und Rechteverwaltung abgebildet wird. Um nicht nur die technische und organisationale Verfügbarkeit entsprechender Möglichkeiten zu schaffen, sondern ihre Nutzung tatsächlich zu realisieren, muss im Rahmen des Veränderungsprozesses das Vertrauen in die Nutzung webbasierter Dokumente geschaffen werden.

Die Erfahrung zeigt, dass z. B. die Prozessaufnahme und -analyse eine wichtige Vorbereitung für eine erfolgreiche Prozessoptimierung und eine darauf aufbauende Einführung entsprechender Module darstellt. Sie dient insbesondere dazu, die Akzeptanz der späteren Nutzer zu erhöhen. Eine Nichtberücksichtigung der Interessen der Beteiligten führt demgegenüber häufig zu Widerstand, der nicht immer offen kommuniziert wird, aber sich dennoch deutlich wahrnehmbar äußert, indem die Anwendung der neuen IT im Arbeitsalltag verzögert wird, oder – aufgrund mangelnden Vertrauens in neue Systeme – eine aufwändige doppelte Datenhaltung, z. B. in der „bewährten“, lokal gespeicherten Excel-Tabelle, vollzogen wird.

4.2    Qualitätsziel „Gute Lehre“

Das Qualitätsziel „Gute Lehre“ fokussiert auf eine Primäraktivität der Wertkette, die den größten Teil  des studentischen Life Cycles berührt. Sichergestellt werden soll eine fachlich und didaktisch hochwertige Lehre. Ein Verfahren, dass zur Messung der Zielerreichung eingesetzt wird, ist neben der Analyse von Prüfungsergebnissen eine in das CM-System eingebundene Online-Evaluation der Lehrveranstaltungen. Als Indikator für eine fachliche und didaktisch hochwertige Lehre wird die Beurteilung der Lehrleistung durch die Studierenden anhand entsprechender Items herangezogen.

Typische Probleme von Insellösungen, wie z. B. der Aufwand der Teilnahme aufgrund von erforderlichen Mehrfachlogins, eine daraus resultierende geringe Teilnahmequote, der Aufwand der Auswertung und die Organisation der Kommunikation der Ergebnisse gegenüber Lehrenden und Studierenden, können durch eine ganzheitliche, webbasierte Lösung vermieden werden. Insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Systemakkreditierung wird eine integrierte Anwendung als vorteilhaft gesehen, da in entsprechenden Verfahren nicht nur das Vorhandensein, sondern auch die Funktionsfähigkeit eines entsprechenden Systems nachgewiesen werden muss (vgl. Bieletzke/Beise 2009).

Die Schritte der Evaluationsfreischaltung, -teilnahme, -auswertung und -kommunikation gestalten sich im hier betrachteten CM-System TraiNex wie folgt: Da dem ganzheitlichen System die zu evaluierenden Lehrveranstaltungen aufgrund des Studienplans bekannt sind, können Evaluationsfreischaltungen ohne weitere Zwischenschritte erfolgen. Da die Studierenden sich regelmäßig in das CM-System einloggen, kann ihnen ein Link zur Online-Evaluation als zusätzliche Information auf ihrer persönlichen Startseite angezeigt werden. Die anschließende Teilnahme erfolgt webbasiert innerhalb des CM-Systems. Nach dem Ablauf des Evaluationszeitraums sind automatisierte Auswertungen möglich.

Wenn die entsprechenden Items eine inhaltlich und zeitliche Konstanz besitzen, sind darüber hinaus aggregierte Zufriedenheitsvergleiche über Studiengruppen und im Zeitverlauf abrufbar. Diese zeigen z. B. dem Evaluationsbeauftragten durch eine farbliche Hervorhebung Besonderheiten z. B. im Fall besonders positiver oder negativer Bewertungen an, in welche er im Sinne eines Online-Analytical-Processing (OLAP) „hineinzoomen“ kann, um Details von Dozenten-Studiengang-Item-Kombinationen zu erforschen. Parallel dazu können Lehrende als CM-Nutzer in einem privaten Bereich die eigenen Evaluationen direkt nach Beendigung der Evaluationsphase abrufen und ihre Ergebnisse mit den anonymisierten Evaluationsergebnissen anderer Lehrender im Studiengang vergleichen. Studierenden erhalten einen aggregierten Zufriedenheitsvergleich, der keinen Rückschluss auf Dozenten zulässt, aber gleichwohl aufzeigt, dass sich der Aufwand der Evaluation für den Anreiz des Ergebnisses gelohnt hat. Organisatorisch nachgelagert sind Einzelgespräche zwischen Lehrenden und Evaluationsbeauftragten. Die Evaluation der Lehre kann zudem durch Umfragen zur wahrgenommenen Qualität der Verwaltung oder der Qualität der Studierenden aus Dozentensicht leicht ergänzt werden , wenn diese Umfragen ebenfalls im CM-System integriert sind.

 

4.3    Qualitätsziel „Guter Übergang in den Beruf“

Das Qualitätsziel „Guter Übergang in den Beruf“ fokussiert auf das Ende der Wertkette und des Life Cycles des Studierenden. Das Qualitätsziel eines guten Übergangs von der Hochschule in den Beruf ist im Szenario der hier betrachteten Hochschule eng verbunden mit dem Qualitätsziel der Berufsbefähigung der Studierenden. Zwei Aspekte des CM-Systems, die zur Verwirklichung des Qualitätsziels beitragen, sollen vorgestellt werden: zum einen integriert das betrachtete CM-System TraiNex ein Karriereportal, zum anderen werden Studierende nach Studienabschluss automatisch in den Alumni-Status und eine Alumni-Community überführt.

Das Karriere-Portal ermöglicht die Vorstellung von Unternehmen und die dezentrale Einstellung von Praktikums- und Stellenangeboten. Die Ermöglichung einer dezentralen Dateneingabe bedeutet, dass Verwaltungs-, aber auch Lehrpersonal und Alumni ungeprüft als namentliche „Paten“ für Unternehmen auftreten dürfen. Auch Studierende sind angehalten, sich als „Paten“ für Praktikums-Unternehmen verantwortlich zu fühlen, Unternehmen anzulegen, Stellenangebote anzulegen und zu pflegen. Die Anzahl und Qualität von Praktikums- und Stellenangeboten und der Aufbau eines Netzwerks für Studierende und Absolventen kann auf diese Weise realisiert und im Zeitverlauf gesteigert werden.

Die organisationale Integration von Studierenden und Alumni als Nutzern des Systems führt in Kombination mit der funktionalen Integration eines Karriereportals zu einer erhöhten Zufriedenheit der Akteure. Neben der Schaffung eines Alumni-Beauftragten wurde in diesem Zuge auch ein Alumni-Verein angeregt, zu dessen Mitgliedsanwärter technisch jeder Absolvent wird. Absolventen müssen demnach nicht dazu beitragen, zum Alumni zu werden, erhalten aber vielfältige Anreize in Form z. B. von Vortragsankündigungen, die im ganzheitlichen CM-System mühelos nebenbei auch für Alumni freigeschaltet werden können. So wird auch für Alumni ein Nutzen erzeugt, der dazu beiträgt, dass die Absolventen sich regelmäßig ins System einloggen. Da Alumni aufgrund der Anreize auch darauf achten, dass ihre Daten aktuell bleiben, können die Alumni für die Laufbahnverfolgung bzw. für Verbleibsstudien direkt im Rahmen einer online-basierten Erhebung innerhalb des CM-Systems befragt werden.

5    CM-QM-Ziel-Würfel

Da in jedem der drei Qualitäts-Teilbereiche andere der drei beschriebenen Ganzheitlichkeiten bedeutsam sind, bietet es sich an, diese Zusammenhänge erweitert um die Realisation-Problematiken in einem morphologischen Kasten darzustellen. Die bisher herausgearbeiteten QMS-, CMS- und Realisations-Aspekte können dadurch gedanklich kombiniert werden. Jede der 27 Kombinationen kann dabei auf Sinnhaftigkeit, die Bedeutung und anschließend als Ist- oder Zielposition diskutiert werden.

§        So kann z. B. die zeitliche Ganzheitlichkeit anzustreben und technisch umsetzbar sein und somit Ergebnisqualitäten beeinflussen.

§        Prozessqualität kann mit organisationaler Ganzheitlichkeit verbessert werden, aber nur, wenn sie organisatorisch-kulturell um- bzw. durchgesetzt wird.

§        Funktionale Ganzheitlichkeit wird ggf. technisch schwer durchsetzbar sein, weshalb geforderte Prozess-Qualitäten nicht erreicht werden.   

Abb. 3: CM-QM-Ziel-Würfel

Quelle: Eigene Darstellung

 

6    Fazit

Der Beitrag von CM-Systemen für die Ausgestaltung ganzheitlicher QM-Systeme und zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität an Hochschulen wurde beleuchtet und anhand von drei Fallbeispielen diskutiert.

Da in der Wertkette die Studierenden und Lehrenden teils intensiv in die Wertschöpfung bzw. in die hochschulischen Kernprozesse integriert sind und eine kommunikative oder prozessorientierte Verbindung der Akteure über ein CM-System bestehen kann, sind CM- und QM-Systeme potentiell auf vielfältige Weise miteinander verwoben. Insbesondere können beobachtete oder erfragte Daten aus CM-Systemen als Informationen im QM-System verwendet werden. Dies gilt zumindest dann, wenn ganzheitliche CM-Systeme die beteiligten Akteure integrieren und diese Akteure über Anreiz-Erhöhung und Beitragssenkung motiviert werden, sich im Sinne der Hochschule aktiv in das System und z. B. in Evaluationsverfahren einzubringen.

CM-Systeme können demnach in vielfältiger Weise zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität und auch zu ihrer Messung beitragen. Dies aber nur, wenn die im CM-System vorhandenen Daten und erzeugbaren Informationen im Sinne der ganzheitlichen Steuerung zur entscheidungsunterstützenden Ableitung von – weiterhin verbleibenden – Follow-up-Maßnahmen genutzt werden. Ohne die Schließung dieses Qualitätsregelkreises bleiben die vielfältigen Potenziale, die ein CM-System für die Realisierung eines ganzheitlichen QMs an Hochschulen bietet, ungenutzt.

Somit kann auch ein ganzheitliches CM-System lediglich als notwendig, aber keineswegs als hinreichend für die Realisierung eines funktionsfähigen QM-Systems angesehen werden.


Literatur

 

1.      Krücken, Georg (2006): Verschärfte Institutionenkonkurrenz und neue organisationale Ungleichheiten durch Bachelor- und Master-Studiengänge? In: Rehberg, Karl-Siegbert (Hrsg.): Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2. Frankfurt am Main. S. 1545-1553.

2.      Schimank, Uwe (2005): Die akademische Profession und die Universitäten: „New Public Management“ und eine drohende Entprofessionalisierung. In: Klatezki, Thomas/Tacke, Veronika (Hrsg.): Organisation und Profession. Wiesbaden. S. 143-164.

3.      Brunsson, Nils/Jacobson, Bengt (2000): A World of Standards. Oxford.

4.      Bruhn, Manfred (2008): Qualitätsmanagement für Dienstleistungen: Grundlagen, Konzepte, Methoden. Springer. Berlin/Heidelberg.

5.      Deutsche Gesellschaft für Qualität (2010): Basiswissen: Begriffe. In: URL: http://www.dgq.de/wissen/begriffe_qualitaet.htm [Stand: 14.10.2010].

6.      Nickel, Sigrun (2007): Institutionelle Qualitätsmanagement-Systeme in Universitäten und Fachhochschulen. Konzepte – Instrumente – Umsetzung. Arbeitspapier Nr. 94. Centrum für Hochschulentwicklung. Gütersloh. In: URL: http://www.che.de/downloads/CHE_QM_Studie_AP94.pdf [Stand: 1.12.2010].

7.      Kaufmann, Benedict (2009): Qualitätssicherungssysteme an Hochschulen – Maßnahmen und Effekte. Eine empirische Studie. Hochschulrektorenkonferenz. Bonn. In: http://www.hrk.de/de/download/dateien/Studie_neue_Version.pdf [Stand: 1.12.2010].

8.      Heinrichs, Werner (2010): Hochschulmanagement. München.

9.      Pellert, Ada (1999): Die Universität als Organisation: die Kunst, Experten zu managen. Wien.

10.   Barnard, Chester (1938): Die Führung großer Organisationen. Essen.

11.   Bieletzke, Stefan (2005): Rollenkonzept als Erfolgsfaktor für Virtual Communities. In: URL: http://www.trainings-online.de/html/Rollen_VC.PDF [Stand: 13.11.2010].

12.   Porter, Michael (1989): Wettbewerbsvorteile (Competitive Advantage): Spitzenleistungen erreichen und behaupten. Frankfurt.

13.   Bieletzke, Stefan/Beise, Anna (2009): Ganzheitlichkeit von CM-Systemen als Akkreditierungsvorteil. In: Krahn, Britta/Rietz, Christian (Hrsg.): Digitalisierung der Hochschule. Erfahrungen mit Campus-Management-Software. Schriftenreihe „Hochschulen im Fokus“ 2/2009. Bonn.